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Leben und Arbeiten in der Türkei

Deutscher oder türkischer Arbeitsvertrag in der Türkei

Eines der beliebtesten Themen von deutsch-türkischen Auswanderern ist der Arbeitsvertrag. Auf dieses Thema stoße ich immer wieder. Und meistens wollen die Auswanderer, welch eine Überraschung, einen deutschen Arbeitsvertrag. Hauptgründe dafür liegen in den Kündigungsfristen und Sozialversicherungen. Aber sind diese wirklich besser als in der Türkei?

Ich habe in der T
ürkei unter beiden Arbeitsverträgen gearbeitet und etwas Erfahrung sammeln können. Bei meiner ersten Anstellung hatte ich aus formalen Gründen einen deutschen Vertrag, obwohl ich das gar nicht gewünscht habe. Aber es bot mir eine gewisse Sicherheit.

Wo zahle ich Einkommenssteuer?

Steuerrechtlich bedeutet das, dass wenn man in Deutschland angemeldet ist, dort weiterhin seine Einkommenssteuer zahlt. Ansonsten bekommt man sein Gehalt nach Abzug der Sozialversicherungsabgaben ausgezahlt. Die Einkommenssteuer muss man dann selber in der Türkei abführen. Das kann zu einem Extraaufwand und kosten führen. Allerdings kann die Einkommensteuer je nach Situation in der Türkei niedriger sein. Man sollte diese Entscheidung gut abwägen.

Sozialversicherung

Bei dem Thema war ich mit meinem deutschen Vertrag benachteiligt. Die Sozialversicherungsabgaben müssen immer gezahlt werden, egal wo man lebt und arbeitet. Und die Krankenversicherung war mein größtes Problem, denn die Versicherungen zahlen nur Behandlungen bei staatlichen Anstalten. Private Krankenhäuser kann man nur auf eigene Kosten nutzen. Und in der Türkei sind die privaten Krankenhäuser viel besser als die öffentlichen. Ich bin später durch meinen türkischen Arbeitsvertrag zu einer privaten Krankenversicherung gewechselt, welche Standard sind bei Großkonzernen. Diese Privilegien möchte ich nicht mehr verlieren.

Kündigung

Hier gewinnt der deutsche Arbeitsvertrag, aber der Unterschied ist meiner Meinung nach gering. In der Türkei existiert glaube ich keine echte Probezeit, aber eine zweimonatige Probephase kann per Vertrag festgelegt werden um ohne Angaben von Gründen kündigen zu können. In Deutschland ist die Kündigungsfrist nach der Probezeit 4 Wochen in den ersten 2 Jahren, dann nach

  • 2 Jahren auf 1 Monat zum Ende eines Kalendermonats,
  • 5 Jahren auf 2 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 8 Jahren auf 3 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 10 Jahren auf 4 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 12 Jahren auf 5 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 15 Jahren auf 6 Monate zum Ende eines Kalendermonats,
  • 20 Jahren auf 7 Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Das türkische Arbeitsrecht sieht folgende Kündigungsfristen vor:

  • bis 6 Monate angestellt, 2 Wochen Kündigungsfrist
  • bis 1,5 Jahre, 4 Wochen Kündigungsfrist
  • bis 3 Jahre, 6 Wochen Kündigungsfrist
  • ab 3 Jahre, 8 Wochen Kündigungsfrist

Auch in der Türkei muss der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund angeben. Dies ist besonders wichtig (wie in Deutschland) um Arbeitslosenhilfe zu beantragen.

Abfindung

In Deutschland hat man kein Anrecht auf Abfindung, man kann es nur einklagen und es eventuell bekommen. Dafür muss man schon für eine sehr lange Zeit in der Firma angestellt gewesen sein.

In der Türkei ist die Abfindung gesetzlich geregelt, es existieren zwei verschiedene Arten:
Ihbar wird für die jeweilige Kündigungsfrist gezahlt und entspricht des aktuellen Gehalts. Im Grunde bekommt man für die Kündigungsfrist sein Gehalt, aber man ist freigestellt um sich eine neue Anstellung zu suchen. Im Gegensatz zu Deutschland, geht man in der Türkei nicht mehr zur Arbeit, wenn man gekündigt worden ist.

Kidem tazminati wird für die Zeit in der Firma gezahlt. Pro Jahr kann man mit einem Monatsgehalt rechnen, wobei es Höchstgrenzen gibt. Beide Abfindungen werden gleichzeitig ausgezahlt und ich glaube man zahlt weniger oder gar keine Einkommenssteuer. (hier gibt es einen Rechner)

Wenn man also nach mehreren Jahren gekündigt wird, kann man eine gute Abfindung erhalten. Vor allem, wenn man schnell eine neue Anstellung findet, bleibt das Geld bei einem selbst, ohne Einbußen. Es gibt auch viele die damit in die Selbständigkeit gehen.

Das sind meine Erfahrungen und Kenntnisse. Ich bin absichtlich nicht in gesetzliche Details reingegangen, da diese sich ändern können. Aber vom Prinzip her kann man die Unterschiede gut sehen.

Welchen Arbeitsvertrag zieht Ihr nur vor?
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