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Leben und Arbeiten in der Türkei

So ist ein guter Lebenslauf für die Bewerbung in der Türkei aufgebaut

Die Bewerbungen in der Türkei sehen etwas anders aus, als die in Deutschland. Nach meinen ersten Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen in Izmir habe ich gemerkt, dass in meinen Lebensläufen manche Informationen fehlten, dazu kommt, dass ich Unterlagen verschickt hatte, die überflüssig waren. Der wichtigste Unterschied meiner Meinung nach ist, dass man sich in der Türkei mit formalen Sachen weniger aufhält.

Ich werde hier die einzelnen Punkte der Bewerbungsmappe durchgehen und vor allem auf die Unterschiede hinweisen, die in Deutschland existieren. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass deutsche Bewerbungsmappen eher die Ausnahme sind, und das türk. Modell international eher verbreitet ist.

Bestandteile der Bewerbung

Eine türkische
Bewerbung besteht eigentlich nur aus dem Lebenslauf, Foto und einem Anschreiben, wobei Anschreiben bzw. Motivationsschreiben kommen erst seit 2-3 Jahren in Mode. Es ist ein Plus dieses hinzuzufügen, aber keine Pflicht.

Arbeitszeugnisse kennt man in der Türkei nicht und man weiß auch nicht, was man damit anfangen soll. Die türkische Übersetzung lautet „
bonservis“ und der Begriff wird niemals in einem Gespräch fallen. Wichtiger sind die Referenzen, aber dazu später mehr.

Diplome und andere Zeugnisse werden auch niemals mitgeschickt. Man kann es machen, aber keiner fragt danach und man überfordert nur den Personaler. Die Unternehmen gehen einfach davon aus, dass man für den Job fachlich qualifiziert ist und Diplome besitzt. Der Lebenslauf muss eher soft skills und mit Erfolgen überzeugen. Die Diplome reicht man erst beim Unterschreiben des Arbeitsvertrages ein.

Deckblatt

Ein Deckblatt muss man nicht haben, macht aber die Bewerbung aufgeräumter. Hier sollte sich das Foto befinden, persönliche Angaben und Kontaktdaten zu lesen sein. Bei den persönlichen Angaben reichen Name, Geburtsdaten, Wohnadresse und eventuell Familienstand.

Bewerbungsfoto

Ich habe schon Bewerbungen ohne Fotos gesehen. Das ist weit verbreitet, aber es sollte gemieden werden. Fotos runden die Bewerbung einfach ab. Es werden keine kreativen oder professionellen Fotos wie in Deutschland erwartet. Schwarzweiß, im Querformat, stehend von der Seite, Sakko über der linken Schulter an den Finger angehakt – es gibt so viele Variationen, die beeindrucken selbst in Deutschland nicht mehr. In der Türkei kann so ein Bild sogar einschüchtern, man könnte überqualifiziert und arrogant wirken. Die Türken schicken z.T. Passbild ähnliche Fotos, welche nicht besonders schön sind. Man geht auf jeden Fall zum Fotografen der etwas mehr als ein Passbild macht. Understatement sollte hier das Motto sein.

Angaben von frühen Arbeitgebern

Die meisten Angaben sind den einer deutschen Bewerbung ähnlich. Name des Arbeitgebers, Branche, Titel der Position, Verantwortungsbereich und Erfolge – diese Angaben wollen auch türk. Unternehmen sehen. Das einzige was man ergänzen sollte ist, welchen Titel der direkte Vorgesetzte hat. Die Unternehmen wollen wissen, auf welcher Hierarchiestufe man sich befunden hat.

Ausbildungs- und Bildungsangaben

Grundschule und die Mittlere Stufe kann man stark zusammenfassen. Hier ist es wichtig die Namen korrekt auf türkisch wiederzugeben. Die Schulart sollte auf jeden Fall türkisch und verständlich sein. Nur die Eigennamen dürfen deutsch sein, wen man sie überhaupt nennt. Auf das Studium kann man ruhig genauer eingehen und neben Uni, Fakultät und Schwerpunkte des Studiums auch den Titel der Abschlussarbeit nennen. In vielen türk. Bewerbungen fehlt dieser letzte Punkt, aber eine Aufmerksamkeit ist es auf jeden Fall. Ich bin bei Vorstellungsgesprächen durchaus dazu befragt worden.

Praktika sind in der Türkei nicht so hoch angesehen wie in Deutschland, da hier Praktikanten kaum wichtige Aufgaben bekommen. Daher sollte man sich überlegen, ob man Praktika als Berufserfahrung darstellt. Ähnliches gilt für Teilzeitjobs, auch das ist nicht besonders verbreitet. Das sind meine Erfahrungen bei Vorstellungsgesprächen, solche Angaben machen alles nur komplizierter, aber man sollte es einfach halten.

Angaben zu weiteren Kenntnissen

Fachkenntnisse wie Software, Sprache oder Weiterbildungen sollten unbedingt angegeben werden. Man sollte dazu noch ergänzen wie gut die Kenntnisse sind. Bei Fremdsprachen sollte man nur Deutsch und anderen Sprachen erwähnen, Türkisch angeben sollte man nicht, das sehe ich oft bei Bewerbungen aus Deutschland.

Das wichtigste zum Schluss: Referenzen

Ganz unten kommen die Referenzangaben, diese sind wichtiger als Berufserfahrung und Ausbildung. Hier stehen die Namen, Titel, Unternehmen (event. Email) und Handynummer, von Personen die für euch die Hand ins Feuer legen würden. Idealerweise sind es ehemalige Kollegen, Vorgesetzte oder Geschäftspartner. Umso höher der Rang der Person ist, desto beeindruckender ist es natürlich.

Berufsanfänger aus der Türkei wie auch Deutsch-Türken haben zu Beginn keine solche Referenzen, da ihnen die Berufserfahrung noch fehlt. Aber das ist nicht schlimm. Die Türken geben ihre Lieblingsprofessoren, Verwandte die in einer guten Position berufstätig sind oder sogar Freunde an. Wichtig ist hier wie gesagt die Position der Person und das dieser euch auch gut kennt und zu eurem Charakter, Berufserfahrung und anderen Eigenschaften was erzählen kann.

Referenzen ersetzen quasi die Arbeitszeugnisse, diese sind in vielen Ländern üblich. Sprecht euch mit den Personen zunächst ab, holt das Einverständnis und klärt auch wenn nötig wie was gesagt werden sollte.

Werden Referenzen angerufen?

Ja das werden sie. Und zwar nach dem ersten oder zweiten Vorstellungsgespräch, wenn man in den kleineren Kandidatenkreis reingekommen ist. Das Unternehmen sagt in der Regel nicht, dass man die Personen angerufen hat.

Hobbys auch angeben?

In Deutschland ein muss, in der Türkei fehlen diese Angaben sehr oft. Wie auch in Deutschland sollte man hier nur Sachen reinschreiben, die einen besonders machen. Fußball, Reisen und Lesen interessiert niemanden. Aber wenn man Trainer ist, mit einer speziellen Technik Bilder malt oder sich sozial in einem Verein engagiert, dann sollte man diese angeben. Das sind manchmal Gesprächsöffner und wenn man Glück hat, hat der gegenüber Interesse an einem Thema oder macht es sogar selber. Bei mir haben wir immer viel über das Tauchen gesprochen zum Beispiel.

Anschreiben nicht im deutschen Sinne, sondern eher Motivationsschreiben

Anschreiben und ähnliche Texte sind erst in den letzten Jahren in die Mode gekommen. Aber es handelt sich nicht um Briefe wie in Deutschland. Es gibt keine Anrede oder Formalitäten. Im Motivationsschreiben (5-7 kurze Sätze) erzählt man kurz, warum man den Job haben will (persönliches Hobby, Großvaters’ Einfluss, kreativer Drang seit der Kindheit....). Man kann ruhig etwas emotionaler werden und Informationen angeben die nirgends in den Lebenslauf reinpassen. Hier kommt die persönliche Note zur Geltung.

Da viele solche Texte noch nicht verfassen, kann man hier echte Pluspunkte machen. Auch wenn einem selber der eigene Text nicht gefällt, allein das vorhanden sein des Textes wird den Personalverantwortlichen beeindrucken.

Jetzt kann man sich bewerben

Wenn alles fertig ist, dann verpackt alles schön in einer pdf-Datei und bewirbt euch bitte immer nur per Email. Alles andere ist ungewöhnlich, auch wenn in manchen Unternehmen noch Faxnummern angegeben werden (aber dort will man sicher nicht arbeiten). Wenn man nach Bewerbungseingang innerhalb von 7-10 Tagen nichts gehört hat, dann kann man die Bewerbung meistens schon abhaken. Man braucht nicht lange zu warten und hoffen. Ansonsten finden Vorstellungsgespräche immer sehr kurzfristig statt.

Bitte ergänzt Angaben, falls ich welche vergessen habe. Was sind eure Erfahrungen bei Bewerbungen?
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