Scuvol Blog

Leben und Arbeiten in der Türkei

Leben in Izmir

Ich bin gebeten worden mehr über Izmir zu schreiben, da ich in meinem Ersten Blog-Eintrag eigentlich mich mit den Bewerbungen befasst habe. Sicherlich kennen nicht viele die Stadt mit über 3,5 Millionen Einwohnern (incl. Vororte), die die 3. größte Stadt der Türkei ist (nach Istanbul und Ankara). Diese Stadt liegt an der Ägäis, die Westküste der Türkei in der Bucht von Izmir.
Ich bin gebeten worden mehr über Izmir zu schreiben, da ich in meinem Ersten Blog-Eintrag eigentlich mich mit den Bewerbungen befasst habe. Sicherlich kennen nicht viele die Stadt mit über 3,5 Millionen Einwohnern (incl. Vororte), die die 3. größte Stadt der Türkei ist (nach Istanbul und Ankara). Diese Stadt liegt an der Ägäis, die Westküste der Türkei in der Bucht von Izmir.


(weitere Bilder aus Izmir)

Die Stadt und seine Region ist in der Türkei berühmt dafür, dass hier alles lässiger und geselliger läuft, das man an den Wochenenden nach Cesme fährt (Urlaubsort 80 km von Izmir), viel Fisch und Raki konsumiert und das sie die westlichste Stadt der Türkei ist (nicht geographisch sondern kulturell). Dies alles kann ich bestätigen. Die Menschen gehen alles wirklich ruhiger an und mögen keinen Stress. Eile hat man auch nicht wirklich. Die Stadt hat ein eigenes Tempo. Obwohl sie so groß ist, glaubt man in einem Dorf zu sein. Die Grossstadthektik fehlt einfach. Die Sommer sind sehr lang und die Winter eher verregnet als kalt. Dementsprechend sind die Straßencafes, Uferpromenande, Fußgängerzonen immer voller Menschen die spazieren gehen, sich treffen, essen und trinken.

Die Stadt hat einen besonderen Image, dass mich an Miami, USA erinnert. Wenn man in Rente geht, dann zieht man nach Izmir oder Umgebung und verbringt dort den Lebensabend. Wegen diesen oben genannten Besonderheiten ziehen es viele ältere Menschen vor hier zu leben. Wer es sich leisten kann kauft sich ein Sommerhaus in Urla, Cesme, Kusadasi oder Foca und lebt das ganze Jahr über dort.

Es gibt die Hauptwohngebiete Buca (grösste der Türkei mit über 1 Mio Einwohner), Bornova (Studentenstadt), Karsiyaka (schönste Gegend zum wohnenHappy, Alsancak (vornehmes Viertel und Nitelife), Konak (Altstadt und Verwaltung), Bayrakli, Gaziemir, Narlidere, Cigli, und Balcova. Klassisch ist es in Karsiyaka, Narlidere oder Bornova zu wohnen und in Alsancak, Konak, Gaziemir oder sogar in Manisa (ein weiteres Provinzzentrum, ca. 30km von Izmir) zu arbeiten.

Verschiedene Sektoren aus der verarbeitenden Industrie bieten interessante Möglichkeiten

Alsancak ist das Amüsierviertel der Stadt. Der „Kordon“ Uferpromenade hat den Ruf die längste Theke der Welt zu sein. Eine Bar nach dem anderen reiht sich hier an. Zwischendurch gibts Fischrestaurants, Cafes und Boutiquen. Abends kriegt man kaum einen Sitzplatz. Aber auch in den Seitenstrassen ist jede Menge los, die Bars mit Livemusik und Cafes sprechen mehr Studenten an. In Alsancak findet auch einige Top-Clubs zum abfeiern. Studenten empfehle ich jedoch in Bornova „Kücük Park“. Zum shoppen geht man ebenfalls nach Alsancak, Konak oder Karsiyaka. Es gibt nur wenige Einkaufszentren (im Vgl. zu Istanbul). Die schönsten zum shoppen sind in Karsiyaka/Mavisehir (EGS Park) und Bornova (Forum Bornova).

Die Hauptsektoren bzw. Einnahmequellen der Region sind Landwirtschaft (vor allem Trauben, Oliven und Olivenöl, Winterobst, Baumwolle,...), Textil, Gesundheit (viele natürliche Quellen und Heilbäder) und Tabak (viele internationale Marken produzieren hier). Der Tourismus spielt auch eine wichtige Rolle, wobei davon eher die Region als die Stadt selber profitiert. Einige Beispiele für Industrie wären die Aegean Free Zone (Hugo Boss hat hier seine größte ausser-Deutsche Produktionsstätte) und das Industriegebiet in Manisa (ca. 30 km vor Izmir) wo vor allem die Elektrotechnikbranche produziert (Bosch, Vestel,...). Die bekanntesten lokalen Unternehmen sind Pinar (Lebensmittel), Efe Raki und Kipa (Einzelhandel). Dr. Oetker produziert außerhalb von Izmir (Kemalpasa). Eine große Rolle spielen natürlich, wie überall in der Türkei, die Bauunternehmer vor Ort. In den letzten Jahren sind viele neue Siedlungen und Stadteile entstanden, Autobahnen sind gebaut worden, die U-Bahn ausgebaut worden und das alte Hafenviertel neu verplant worden.

Die Entwicklung von Izmir hinkt anderen Regionen hinterher

Izmir ist mehr eine Handels- als Industriestadt gewesen. Der Hafen ist ein wichtiger Warenumschlagsplatz für die Türkei. Importe wie auch Exporte werden von hier abgewickelt. Allerdings können die ganz großen Containerschiffe den Hafen nicht anfahren wegen der Tiefe der Bucht von Izmir. Seit 1980 wird überlegt den Hafen ausserhalb der Stadt zu verlegen, die Logistikunternehmen wehren sich dagegen, da sie direkt am Hafen sind. Ebenfalls eine Idee/Projekt: eine 7km lange Brücke über die Bucht. Seit 25 Jahren wird darüber diskutiert. Seit den 90er Jahren wird überlegt wie man die Uferpromenade von Bayrakli benutzen kann. Sie liegt neben dem Hafen und Alsancak, sehr Nahe an Bornova und Karsiyaka. Im Augenblick ist es Brachland mit heruntergekommen Bauten und ungenutztem Boden.

Vor allem die letzten Beispiele zeigen, wie langsam die Entwicklung der Stadt ist. Lobbys und Bürokratie lähmen die Stadt. Viele Entscheidungen sind eher politisch motiviert und frustrieren vor allem die lokalen Unternehmen, die es deswegen vorziehen nach Manisa oder Denizli auszuweichen. Daher liegt das pro Kopf-Einkommen weit hinter diesen Städten. Die Karrieremöglichkeiten sind sehr begrenzt und die Einkommen liegen weit unter dem von Istanbul. Natürlich sind Wohn- und Lebensmittelkosten entsprechend niedriger, Restaurantbesuche sind ebenfalls bezahlbarer. Aber wenn es andere Anschaffungen geht (Textil, Mode, Elektronik, Auto, Urlaub), dann wird es doch etwas schwerer.

In Izmir gibt es viele Kleinunternehmer und einige mittelständische Unternehmen die leider keine langfristige Perspektiven anbieten können. Da es sich meistens um Familienunternehmen handelt sind die Aufstiegsmöglichkeiten sehr eingeengt. Arbeitsmöglichkeiten sehe ich hier für Auswanderer vor allem in der Exportbranche, wo Sprach- und Kulturkenntnisse gefragt sind. Ein Riesenvorteil sind Erfahrungen in den Branchen Elektronik, Lebensmittel oder Textil.

Wer eine ruhige und lässige Gegend zum leben und etwas arbeiten sucht, der ist in Izmir genau richtig. Stress und Hektik sind Fremdwörter. Was man auf morgen verschieben kann, verschiebt man auch. Man hat alle Zeit der Welt. Geschäftskontakte lernt man beim Tee kennen. Dies wird mehrmals wiederholt und manchmal kann man Wochen oder Monate verlieren. Vielleicht muss man das Vertrauen des anderen erst gewinnen, vielleicht hat man auch alle Zeit der Welt - ob es effizient ist, ist ein anderes Thema. Das ist in Izmir nicht so wichtig. Vor allem der „Patron“ (Chef) fährt meistens schon am Donnerstag nach Cesme zum Sommerhaus und kommt erst am Montag Mittag wieder zurück. Und auf ihn muss man warten, da er alle Entscheidungen trifft. Wie schon zuvor erwähnt, Verantwortung wird nicht delegiert in der Türkei. Und bei den Gehältern ohne Aussicht auf Aufstiegsmöglichkeiten will man auch keine Verantwortung übernehmen.

Es gibt noch viele Anekdoten, Beispiele und einzelne Erfahrungen die ich hier erzählen könnte. Wenn jemand Interesse hat oder konkrete Fragen - einfach eine Email schicken.
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