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Leben und Arbeiten in der Türkei

Chancen von „Almancı“-Akademikern in der Türkei

Ich bin neulich gefragt worden, ob Deutsch-Türkische Akademiker hier bessere Chancen haben als Akademiker aus der Türkei.

Das ist nicht pauschal zu beantworten,...
Ich bin neulich gefragt worden, ob Deutsch-Türkische Akademiker hier bessere Chancen haben als Akademiker aus der Türkei.



Das ist nicht pauschal zu beantworten, da es vermutlich Branchenabhängig veriieren kann. Außerdem sollte man auch die Akademiker hier nicht unterschätzen. Unter ihnen gibt es sehr gut ausgebildete Absolventen. Im Architekturbereich habe ich zum Beispiel gesehen, dass deutsche Architekten durchaus bevorzugt werden, da sie besser auf CAD zeichnen können oder genauer in der Detailarbeit sind. Deutsche Elektroingenieure sind sicherlich auch gefragt um Prozesse und Produktion zu optimieren. Aber die meisten von uns zieht es sicherlich in die Verwaltung von Unternehmen. Eigentlich wollen die meisten von uns hier für deutsche Großunternehmen arbeiten. Denn dann sind wir wieder in bekannten Gewässern und können unsere Sprach- sowie Kulturkenntnisse bestens nutzen. Man muss jedoch berücksichtigen, dass wir dennoch für den türkischen Markt arbeiten. Man muss den Markt, die Beziehungen, Kultur und Mentalität kennen. Auch wenn es ein deutsches Unternehmen ist, viel sind trotzdem sehr türkisch. Sei es der Umgang mit den Kunden, den Geschäftspartnern, den Lieferanten oder den Behörden - hier muss sich jedes global agierende Unternehmen anpassen. Am meisten spürt man dies in der Pünktlichkeit, Disziplin und Zuverlässigkeit. Hier ist von unserer Seite Flexibilität gefragt.

Türkische Akademiker von Elite-Unis sind ziemlich stark

Allgemein hat das deutsche Bildungssystem einen guten Ruf in der Bevölkerung in der Türkei. Wenn man jedoch in Vorstellungsgesprächen nach Details gefragt wird kommen Probleme auf. Man kennt nicht die Inhalte der Studiengänge und die Universitäten. Man weiß nicht, was eine Ausbildung ist oder wie wichtig ein Praktikum ist. Vieles hat hier ein anderes Niveau (Praktikanten hier machen meistens Ablage und Kopien). Ausbildung zum... wird meistens çırak genannt. Jedoch hat der çırak hier hat nicht die weitgehende Ausbildung wie in Deutschland. Das Erasmus-Programm dagegen kennt man hier. Wer daran teilgenommen hat, kann damit gut punkten.

Wie ich oben schon geschrieben habe, ist sicherlich der erste Wunsch ein deutscher Arbeitgeber in der Türkei. Diese Unternehmen, besonders international ausländische Unternehmen, ziehen vor allem Absolventen der Eliteuniversitäten der Türkei an. Dazu zählen die:

  • Istanbul Teknik Üniversitesi
  • Boğazici Üniversitesi
  • Bilkent Üniversitesi
  • Yıldız Teknik Üniversistesi
  • Privatunis von Sabancı und Koç, Bahçeşehir Üniversitesi
  • Galatasaray Üniversitesi

Vom Lehrinhalt her sind Akademiker aus Deutschland diesen Universitäten überlegen (ausgehend von dem, was ich gehört und beobachtet habe). Trotzdem sind es gute Universitäten. Manche Studenten haben auch im Ausland studiert und sprechen sehr gut Englisch. In der Geschäftswelt kann man gut beobachten, ob jemand von einer Eliteuni kommt oder nicht. Neben dem einfachen Lisans (Magister), machen immer mehr einen Yüksek Lisans (Master), da dieser immer mehr gefragt ist. Mein Diplom-Betriebswirt ist dem Yüksek Lisans gleichwertig, jedoch hat das YÖK auf Lisans degradiert ( ich habe ein Türk. Diplom beantrag bei der Behörde für Universitätsangelegenheiten).

Übrigens habe ich Arbeitskollegen, die sehr gut Deutsch sprechen. Diese werden am meisten von deutschen Unternehmen hier bevorzugt. Viele von ihnen haben die „Alman Lisesi“ oder Österreichische Schule besucht. Sie können sich locker mit deutschen Arbeitskollegen unterhalten und diskutieren. In Kombination mit einem Eliteuni-Abschluss sind sie bestens ausgerüstet. Übrigens gibt es auch Gymnasien auf Englisch, Französisch, Spanisch und ich glaube auch Italienisch.

Und haben wir nun eine Chance hier???

Ich denke, dass noch ein Aspekt eine wichtige Rolle spielt, der den vielen von uns fehlt. Die meisten Akademiker sind (wie in Deutschland die Deutschen) Akademiker-Kinder, d. h. sie kommen aus „gutem Hause“, haben eine „gute Erziehung“, „Selbstbewusstsein“ und sind „kultiviert“. Nicht umsonst werden in Vorstellungsgesprächen regelmäßig nach den Eltern gefragt. Es ist ein kleiner aber wichtiger Punkt finde ich.

Aber trotzdem kann man es schaffen. Ich habe deutsch-türkische Freunde, die hier erfolgreich sind. Wenn man keine Spezialität mitbringt außer den Sprach- und Kulturkenntnissen, braucht man Geduld. Lebensläufe müssen lückenlos sein. Schaut Euch die Karriereportale an: was wird alles abgefragt, welche Informationen sind wichtig und erwünscht. Diese müssen sich in Euren Lebensläufen wiederfinden. Kreativität und ein tolles Foto sind weniger wichtig bei den einheimischen Bewerbern. Aber mit diesen Punkten kann man die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Jedes Vorstellungsgespräch ist Gold wert und man sollte von jedem etwas mitnehmen. Mit der Zeit weiß man, worauf Wert gelegt wird, was gefragt wird und wie man sich verkaufen sollte.

Und im Berufsleben? Gutes Beobachten und lernen ist das A und O, um langfristig erfolgreich zu sein. Flexibilität ist einer der wichtigsten Eigenschaften die ein Auswanderer haben sollte. Die Flexibilität solltet Ihr bereits in Deutschland bewiesen haben, wie z. B. durch Umzug, Auslandsaufenthalt, usw. Die deutschen Tugenden muss man hier aufweichen und sollte sie nicht starr durchziehen. Am Anfang habe ich in manche Fettnäpfchen getreten, das jedem passieren wird. Es ist aber wichtig, dass man es bemerkt und es kein zweites Mal passiert. Bei Unterhaltungen, Gesprächen, Verhandlungen usw. ist es wichtig zwischen den Zeilen lesen zu können. Die Türken sind niemals direkt, sondern verstecken die Message in ihren Ausführungen.

Mein Fazit ist, dass man hier gut ausgebildete Absolventen als Konkurrenz hat, die schon mit 21-22 Jahren ins Berufsleben einsteigen. Wir können jedoch hier mit unserer Weitsicht, Kultur- und Sprachkenntnissen, Flexibilität sowie Zuverlässigkeit punkten. Diese müssen wir nur gut präsentieren können. Liest euch die Stellenanzeigen durch (vor allem die Englischen), dann seht ihr, was gefragt ist.
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